Mit Beiträgen von Birgit Ohlsen und Günter Opitz-Ohlsen
Der Mann, der auf dem Dach spazieren ging
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epubli BoD, Berlin. 2015, 14,80 € ISBN: 978-3-737545-02-0 Die Illustratorin - Claudia Borchers - hat ebenfalls einen Link zum Buch.
Der Mann auf dem Dach, den keiner so recht erkennen kann, weil er verblüffende Ähnlichkeit mit einem Raben hat, besitzt eine eigenartige Kommode, mehrere Spiegel und einen kreativen linken Fuß, der es in sich hat. Er ist nicht der einzige Protagonist, der diese 13 kurzweiligen Miniaturen durcheinander wirbelt. Ein kleiner Herr betritt mit Tippelschritten den viel zu großen Wartesaal eines Vorstadtbahnhofs und verschwindet, auf der Suche nach einer neuen Schreibidee, zwischen den Zeilen. Hier und da taucht er wieder auf und lässt sich spontan von einem kleinen Blau verzaubern. Ein Vokl bleibt ihm im Hlse stecken, als ihm ein wunderschöner roter Hut zufliegt, der ihm diese Probleme aus phonetischen Gründen nicht macht. Der Mann, der auf dem Dach spazieren ging eine Rezension auf Amazon. |
Das Taubstummenhaus
Erzählungen. Wiesenburg Verlag, Schweinfurt 2004. Kritiken: TAUNUS-ZEITUNG, 13.08.04 Ein Leben für die Sprache Sie spricht schnell und sehr leise, wenn sie von ihrer Schriftstellerei erzählt. Birgit Ohlsen braucht das Schreiben wie die Luft zum Atmen – nicht aber Champagnerluft. Es ist eher die unparfümierte, schwerere Luft der Beladenen, der vom Leben Lädierten, die sie in sich einzieht, an der sie mitleidet, um sie dann in ihrer Wirkung jenen Menschen mitzuteilen, von denen sie Verständnis erhofft. Ihre Protagonistinnen gehören ihr mit Haut und Haar, sie lebt mit ihnen in einer Art Symbiose, lässt sie niemals los. Die Erzählungen in diesem Buch präsentieren sich aus einer gelungenen Synthese von harter Prägnanz und schwebender Leichtigkeit. Ob Mensch oder Pflanze, immer wird das Zarte, Verletzliche beleuchtet. Und oftmals kommen dann im Verlauf des Geschehens erstaunliche Kraftreserven zum Vorschein, aus deren Existenz sich Hoffnung schöpfen lässt. Die Autorin ist Mitglied im Verband deutscher Schriftsteller. Almuth Link
Frankfurter Rundschau vom 13.08.04 Unvollendete Sätze im Taubstummenhaus Die Autorin Birgit Ohlsen hat ihr zweites Buch veröffentlicht / Erzählungen gehen unter die Haut und geben Rätsel auf. Das ist keine heitere Ferienlektüre. Nichts, was man im Liegestuhl lümmelnd zwischendurch genießen und mit Sonnenölspuren versehen leichthändig beiseite legen könnte, wenn der Liebste oder ein eisgekühltes Lieblingsgetränk naht. Fast alle 19 Erzählungen, die Birgit Ohlsen unter dem Titel "das taubstummenhaus" jüngst veröffentlicht hat, stimmen sehr nachdenklich, einige gehen unter die Haut, die besten sind kafkaesk-irritierend. Birgit Ohlsen berichtet offenbar nicht gerne über sich selbst. Aber sie kann erzählen. Mehr noch: Sie schlüpft stilistisch regelrecht in die Personen hinein, von denen sie erzählt. In das Kind zum Beispiel, das die sprachlichen Schwarzweißmalereien der Erwachsenen nicht versteht: "FRANZOSEN sind gut - brachten sie dem Kind bei. RUSSEN sind schlecht." Auch das junge Mädchen und seine Gefühle bei einer Vergewaltigung schildert sie von innen heraus. Ebenso die Gleichgültigkeit der Dorfbewohner nach dem Selbstmord eines taubstummen Paares, das nur knapp der Euthanasie der Nationalsozialisten entgangen war. "Und so hat alles wieder seine Ordnung bekommen im Dorf", lautet der lapidare und zugleich vielsagende letzte Satz dieser titelgebenden Geschichte "Das Taubstummenhaus". Lapidar und vielsagend zugleich wirkt auch Birgit Ohlsens häufiger angewandtes Stilprinzip, Sätze nicht zu vollenden. Zum Beispiel in der Erzählung "Frau, von Flucht träumend", in der auf flirrend-irritierende Weise von einem vielleicht toten, vielleicht aber auch gar nicht vorhandenen Vögelchen die Rede ist: "Ein winziges Federflaumfragment, das sich graugelb zwischen Haut und scharfgezackten Blattrand zu schmiegen suchte und sich unmittelbar nach dieser flüchtigen Berührung in Nichts aufzulösen schien." Was wirklich passiert ist, erfährt man nicht. "Es sei denn", so endet der offene Schluss. |
"Vielleicht auch so etwas wie" - diese besonders faszinierende Geschichte arbeitet bereits im Titel mit dem unvollendeten Satz. Und hier besonders überzeugend. So, wie Birgit Ohlsen da eine in sich selbst verkrochene, von Angst vor jeglicher emotionaler Hingabe geschüttelte Büroangestellte beschreibt, wie sie deren allmählichen Veränderungsprozess sensibel beschreibt und zu einem wahrhaft überraschenden Schluss führt - das erinnert in Ansätzen an Kafkas "Die Verwandlung". DAGMAR SCHERF (Frankfurter Rundschau) Literatur ist immer Tatsachenbericht. Aber in welcher Art die Tatsachen übermittelt werden, das ist erst der Maßstab für schriftstellerische Qualität. Birgit Ohlsen steht eine Feinzeichnung der Vorgänge zur Verfügung, die von großer Prägnanz ist. Äußerliches wird in kleinen Farbtupfern einbezogen, als sei alles völlig harmlos. Dann folgt das wunderbar sanfte Zuschlagen, die berechtigte Anklage, oft der brutale Einbruch einer verlogenen Welt. In einigen Geschichten wird die Wehrhaftigkeit des Zarten, Verletzlichen kenntlich, aber immer mischt sich Außen und Innen zu einem Bild komplexer Wirklichkeit. Das ist hohe Sprachkunst, ein Genuss für den Leser, und Erkenntnishilfe außerdem (noch). Jo Micovich, Literaturdozent (Wuppertal) KULT 20/2004: UNAUFDRINGLICH BETROFFEN Birgit Ohlsen, Das Taubstummenhaus (Wiesenburg Verlag, Schweinfurt 2004) 119 S., € 14,50 Die Autorin legt hier Erzählungen vor über den "brutalen Einbruch einer verlogenen Welt", aber auch über die "Wehrhaftigkeit des Zarten, Verletzlichen" (Klappentext). Mag auch der Titel etwas an Isabel Allendes 'Geisterhaus' erinnern - Ohlsen hat ihre eigene Diktion - & vielleicht wird dies sogar am deutlichsten im allerersten Text 'FRAGment vom begriffsstutzigen Kind'. Eine Parabel auf das Nichterklären- & Nichtverstehenkönnen der Welt aus der naiven Perspektive (des Kindes), die mit der political correctness (der Erwachsenen) kollidiert. Ein raffiniertes Spiel mit diversen Wahrnehmungsebenen erleben wir in 'Alle Sommer wieder' - hat die beschriebene Vergewaltigung nun realiter oder nur in der Phantasie des Mädchens stattgefunden?! Die intensivste Geschichte mag wohl sein: 'Frau, von Flucht träumend', eine Quasi-Bildbeschreibung nach Joan Miró - nicht zuletzt deswegen, weil hier (auch) mit fragmentarischen Sätzen gearbeitet wird: "Und sie wunderte sich jedes Mal wieder, da sie spürte, daß sie die wahre Ursache, den Sinn auch dieses Schmerzes nie würde ergründen, nie würde verstehen - es sei denn." Und noch ein Text sticht heraus: 'Von denen die es gar nicht gibt' - handelnd von den aus der Gesellschaft Ausgeschiedenen, die traurigerweise nur noch davon träumen können, dermaleinst jemand gewesen zu sein: "Nummern wie du und ich." Greift hier nicht die Melancholie sozialer Dialektik?! Ohlsen arbeitet mit Andeutungen, Auslassungen - wohl um den Leser zu aktivieren - frei nach Sartre: "Lesen ist gelenktes Schaffen" - komplettiert sich ein Text erst durch den jeweiligen Leser. Was natürlich immer eine Herausforderung bedeutet - aber was ist, wenn der Leser quasi nicht im Sinne der Autorin weiterassoziiert?! Wobei sich gute Literatur immer durch Offenheit auszeichnet - den Leser fordernd. Die hier vorgelegten Geschichten werden unaufdringlich dargeboten, atmen aber dennoch eine fundamentale Betroffenheit. Ohlsen gelingt hier durchaus die Balance zwischen der Unausweichlichkeit der Atmosphäre & einem schwebenden Ton. Die Titelgeschichte ist der deutlichste Beweis dafür - diese Autorin meint alles sehr ernst - manchmal täte wohl etwas Ironie auch gut. Was freilich u.a. die Frage aufwirft, ob es denn tatsächlich Stoffe gibt, die sich selbstredend Ironie verbitten?! (...)Tragische menschliche Schicksale scheinen in diese Kategorie zu gehören. Man sollte auf jeden Fall noch zur Kenntnis nehmen, daß Birgit Ohlsen auch ausgezeichnete eigene Farbphotos beigefügt hat. KS
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